Einfluss der Ausgangsimpedanz auf InEars

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bartzky
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Einfluss der Ausgangsimpedanz auf InEars

Beitrag von bartzky »

Firschi hat geschrieben:
MLSensai hat geschrieben:Also als "kritisch" würde ich das grundsätzlich nicht bezeichnen, nur weil man mit einem IEM mit BA-Treiber hört.
Genau das ist aber der Fall. InEars mit BA-Treibern reagieren besonders stark auf (hohe) Ausgangsimpedanzen. Und die wird bei einem symmetrischen Aufbau eher höher als niedriger, je nach internem Aufbau der Schaltung. Da kann uns Niklas sicherlich passende Messungen präsentieren, anhand derer man das gut sehen kann.
MLSensai hat geschrieben: @Niklas
Da Dominik dich ja schon quasi in die Pflicht genommen hat, hänge ich mich mal dran. Was meinst du?
Na dann will ich mal :opa:

Inears, die auf BA Treibern basieren, sind vielfach tatsächlich sehr kritisch, was die Ausgangsimpedanz angeht. Es gibt natürlich auch Ausnahmen - siehe Custom Art Fibae, die durch speziell entwickelte Treiber toleranter ggü. hohen Impedanzen gemacht wurden.

Jetzt stehen natürlich die Fragen im Raum "was ist kritisch?" und folglich "mit welchen Verbiegungen muss man tatsächlich rechnen?". Weil ich das gerne greifbar darstellen wollte, habe ich mir vor einer Weile mal eine Kennziffer ausgedacht: Ausgangsimpedanz bei der ein maximales dB_delta von 1 dB über den Frequenzgang von 20 Hz bis 20 kHz auftritt - bislang fehlt offensichtlich ein eingängiger Name :D In Ermangelung dessen, nenne ich die Zahl meistens ganz fantasievoll Headflux-Impedanz, im Folgenden mit HI abgekürzt.

Was heißt das konkret? dB_delta gibt die "Verbiegung" in dB über den relevanten Frequenzgang an. Wenn man nun durch eine hohe Ausgangsimpedanz z.B. etwas Pegel im Bass verliert, oder relativ dazu Hochton gewinnt, beschreibt dB_delta genau diesen Unterschied. Indem man 1 dB als Grenzwert festlegt, lässt sich sicherstellen, dass die Verbiegungen nicht hörbar ins Gewicht fallen. Den genauen Wert der Ausgangsimpedanz, bei dem diese Verbiegung auftritt, spezifiziert jetzt die HI. Hat man also ein Gerät mit einer Ausgangsimpedanz kleiner oder gleich der HI, kann man sich sicher sein, dass keine nennenswerten Veränderungen im Frequenzgang auftreten. Gleichzeitig hat man mit der HI eine Kennziffer dafür, wie kritisch ein Inear (oder Kopfhörer) nun auf unterschiedliche Ausgangsimpedanzen reagiert. Denn: Je niedriger die HI, desto kritischer der Inear. Im besten Fall, hat der Inear eine HI von unendlich, was bedeutet, dass unabhängig der Ausgangsimpedanz niemals eine Verbiegung von 1 dB erreicht wird - dem Inear ist die Ausgangsimpedanz schlichtweg egal, wenn man von anderen potentiellen Einflüssen, wie dem Dämpfungsfaktor absieht.

Hier ein paar konkrete HI-Werte für verschiedene Inears:
  • Brainwavz B100: 3,5 Ohm
  • Campfire Audio Andromeda: 0,5 Ohm
  • Etymotic ER4PT: 5,2 Ohm
  • InEar ProPhile 8: 3,6 Ohm
  • InEar StageDiver 2: 2,0 Ohm
  • NuForce HEM Dynamic: ∞
  • Vision Ears VE8: 0,9 Ohm
Besonders sticht natürlich der Andromeda mit seiner unfassbar niedrigen HI von 0,5 Ohm hervor. Konkret bedeutet das: Betreibe ich den Andromeda an einem 0,5 Ohm Ausgang, statt an einem 0 Ohm Ausgang, dann verbiegt sich der Frequenzgang bereits um 1 dB. Bei höheren Werten als 0,5 Ohm, muss man also bereits mit hörbaren Veränderungen rechnen. Klar, dass man nicht unbedingt wild darauf ist, seine Ausgangsimpedanz durch einen symmetrischen Verstärker zu verdoppeln.

Die HI gibt gibt allerdings keine Auskunft darüber in welchem Frequenzbereich die Verbiegungen auftreten. Unmittelbar ist klar, dass eine Veränderung von X dB beispielsweise im Bereich 500 - 2000 Hz deutlich stärker auffällt als zwischen 10 - 15 kHz. Breitbandige Veränderungen werden ebenfalls mehr ins Gewicht fallen als schmalbandige. Um Informationen über die genaue Ausprägung der Veränderungen des Frequenzgang zu gewinnen, muss man folgendes Diagramm bemühen, dass die Veränderungen des Frequenzgangs an 2, 4, 8, 16, 32 und 64 Ohm darstellt, wobei die gelbe Linie 0 Ohm zeigt:

Bild

Und im Vergleich dazu der Andromeda:

Bild

Beide Hörer zeigen deutliche Veränderungen in relevanten Bereichen. Auf den ersten Blick wird klar, dass der Andromeda deutlich stärker auf höhere Ausgangsimpedanzen reagiert als der B100, was sich bereits aus der obigen Tabelle durch die Werte der HI erkennen lässt.
Zufälligerweise werden beide Inears heller klingen, wenn die Ausgangsimpedanz steigt. Der ProPhile 8 zeigt aber, dass auch der gegenteilige Effekt auftreten kann:

Bild

Im Rückblick lässt sich also klar sagen, dass die doppelte Ausgangsimpedanz also durchaus eine beachtlichen Unterschied machen kann, selbst wenn wir von Werten im einstelligen Bereich ausgehen.

Das Thema Rauschen würde ich jetzt ungerne noch groß ausbreiten. Ich kann aber schon mal spoilern, dass auch hier der Andromeda wieder der absolute Horror-Kandidat ist und einen Rauschen bis -118 dBu hören lässt, was (deutlich) leiser ist, als das Grundrauschen der meisten Geräte, die auf dem Markt erhältlich sind.


Nun die Frage: Lohnt sich das alles für die viel propagandierte bessere Kanaltrennung?

Erst einmal muss man sich vor Augen führen, was die Kanaltrennung bzw. die Kanalübersprechung (Corsstalk) überhaupt aussagen. Beispiel: Ein Verstärker gibt einen Ton über den rechten Kanal wieder. Taucht dieser Ton nun 40 dB leiser im linken Kanal auf, spricht man von -40 dB Crosstalk. Um ein Gefühl zu bekommen wie viel leiser -40 dB oder andere Werte sind, kann man hier mal den Dynamic Range Test durchführen: audiocheck.net

Wer noch genauer testen möchte, kann einseitig beispielsweise pinkes Rauschen oder Musik anhören und den anderen Kanal parallel deutlich leiser bespielen und sich bestenfalls die entsprechende Lautstärkedifferenz notieren. Es wird sicher viele erstaunen, bei welchen Werten der andere Kanal bereits stumm zu sein scheint. Dabei muss man natürlich noch bedenken, dass der in dem Experiment stumme Kanal üblicherweise auch noch ein eigenes Signal wiedergibt, das den Crosstalk überdeckt.

Jetzt muss man sich noch auf der Zunge zergehen lassen, dass gute unsymmetrische Verstärker bereits einen Crosstalk von um die -100 dB liefern. Wenn man nun einen Blick in die linke Seite dieser Tabelle wagt, wird einiges klar:

Bild
Quelle: Sengpiel bzw. Quora

100 dB Unterschied liegen zwischen der unteren Hörbarkeitsschwelle und der Unwohlseinsschwelle. Der Versuch Crosstalk von -100 dB zu hören kommt also dem Versuch gleich seine Uhr ticken hören zu wollen, wenn man gerade bei einem Rock Konzert in erster Reihe steht. Ich wünsche jedenfalls jedem viel Glück bei dem Versuch.
Unmittelbar klar sollte jetzt auch werden, dass man seine Musik mindestens mit einem Schalldruckpegel von 100 dB genießen muss, um einen Crosstalk von -100 dB überhaupt über die Hörschwelle zu befördern.

Nun kann sich jeder selbst eine Meinung darüber bilden, ob die angeblich unzureichende Kanaltrennung tatsächlich ein Problem ist das unbedingt bekämpft werden muss, und ob es sich lohnt dafür höheres Rauschen und eine höhere Ausgangsimpedanz in Kauf zu nehmen :sheep:
Zuletzt geändert von bartzky am Fr 1. Dez 2017, 17:20, insgesamt 1-mal geändert.
Daiyama
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Re: Einfluss der Ausgangsimpedanz auf InEars

Beitrag von Daiyama »

Firschi hat geschrieben:Danke, Niklas, du bist echt der Kracher! :bier: :yeah:
Dem schließe ich mich an. :top:
Schön anschaulich erklärt. :pray:
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Re: Einfluss der Ausgangsimpedanz auf InEars

Beitrag von Firschi »

Von Niklas gibt es jetzt auch einen entsprechenden Beitrag im Prof-X Blog: Ausgangsimpedanz – kritisch oder alles nicht so schlimm? :bier:



Das Thema Crosstalk wird hingegen in einem separaten Thread weiter diskutiert: http://forum.prof-x.de/viewtopic.php?f=35&t=352
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